Sag niemals nie

Wer diese Webseite (und das vorhergegangene Blog) verfolgt, hat gemerkt, daß ich in den letzten Jahren sehr mit der "Spieleindustrie" gehadert hatte. 2023 habe ich sogar den radikalen Ausbruch zu einem Unternehmen für kommunale Software (also das was im Amt auf der Gemeinde so läuft) probiert. Da man nicht schlecht über ehemalige Arbeitgeber reden soll, sagen wir einfach mal: "Es hat nicht gepasst".

Ziemlich genau ein Jahr lang habe ich nach meinem nächsten Job gesucht. Es sollte ein Mittelständler, kein Großkonzern, sein. Wo man möglichst die komplette Mannschaft kennt und der Inhaber und Geschäftsführer ein solides Verständnis von allem hat, was in seinem Unternehmen passiert. Mir liegt was an Geschäftsethik und Solidität, Spaß machen sollte es auch.

Aber über einhundert Bewerbungen später darf ich folgendes resümieren: Niemand möchte einen Jahrgang 1966 ohne Studienabschluß einstellen. Was ich an Serienbrief-Absagen "Wir haben uns für jemand anderen entschieden" erhalten habe für Stellen, die noch weitere sechs Wochen aktiv inseriert wurden, geht auf keine Kuhhaut. Ich habe einige Unternehmen jetzt auf einer schwarzen Liste: Die sehen von mir als Kunde keinen Pfennig Umsatz mehr, weil verarschen kann ich mich selbst.

Zweimal haben Mittelständler in Niederbayern meinen Lebenslauf wirklich gelesen, waren irritiert, wollten mich kennenlernen, wir hatten spannende Gespräche und in beiden Fällen wurde dann zwar kein Job draus (aus wirtschaftlichen Gründen), aber das waren wirklich Chefs, für die ich gerne gearbeitet hätte und wo es mir leid tat, daß sie sich dagegen entscheiden mussten, die jeweilige Stelle überhaupt zu besetzen.

Ein recht großer Nicht-Mehr-Startup im Finanzsektor wollte mich tatsächlich für viel Geld heuern; die hatten nicht auf Lebenslauf geguckt, sondern mich durch einige wirklich knackige Online-Tests gejagt, dann durch Videocalls, dann zur Probearbeit eingeladen. Von dem Prozess war ich begeistert - die wollten Skills, nicht Studienabschlüsse. Die Probearbeit wurde dem Unternehmen dann zum Verhängnis, denn was ich in den internen Unterlagen sehen durfte, wie die ihre im Marketing zur Schau getragenen Werte intern umsetzen, war ein Weckruf, hier keinesfalls dem Charme des Geldes zu erliegen, auch wenn ich für den Job 101% geeignet war.

Und dann war da dieses Unternehmen aus Regensburg, welches eine wirklich interessante Stelle in die diversen Portale gestellt hatte, für die ich mich begeistern konnte, aber es war halt "eine Spielefirma". Und auch noch mit Free-To-Play! Aber nach der hundertsten Bewerbung wird man nicht mehr wählerisch und schreibt trotzdem einfach mal.

Wie es mir schon mehrfach in meinem Leben passiert ist, geschah jetzt etwas Wunderbares. Bei einem Besuch in den Büros stimmte spontan die Chemie mit den Geschäftsführern. Bei genauem Ansehen der wirtschaftlichen Eckdaten und dem "Content" sowie den Online-Diskussionen der Spieler rund um die Firma, war einfach nichts zu finden von den Missständen wegen denen ich eigentlich nichts mit der "Spieleindustrie" zu tun haben wollte. Und statt des Jobs, auf den ich mich beworben hatte, winkte man mit einem anderen Job, der noch viel besser zu mir passt und wo ich, konzernspeak folgt, "contributen" kann, "Impact" erzeuge, und "valuable Assets" mitbringe. Nur haben die Chefs nicht das gesagt, sondern wie vernünftige Menschen mit mir geredet.

Wir wurden uns sehr schnell handelseinig.

PixelCip Boris Schneider-Johne by  Hannes Drexl
gepixelt von Hannes Drexl

So bin ich jetzt "Produkt Manager" bei CipSoft in Regensburg. Nach vorheriger Recherche und drei Arbeitstagen bin ich einfach hin und weg, weil da der Spirit ist, den ich seit den frühen Neunziger Jahren nie mehr so richtig gespürt habe. In meinen Zeiten als Journalist hatte ich selten Studios gesehen, bei denen ich spontan selber hätte arbeiten wollen. CipSoft ist so ein Studio.

Jetzt fresse ich also viel Kreide und arbeite wieder bei einer Spielefirma. 

Ich stehe weiterhin zu meinen Meinungen warum ich, wie Petra Fröhlich es zitierte, "niemanden zur beruflichen Orientierung in diesem Bereich rate". Aber ich hab die Ausnahme von der Regel gefunden, denke ich. Wenn Sie was Positives über CipSoft in den Medien lesen, dann kann ich nur sagen: Das stimmt wohl alles. Ich habe in meinem Leben genug Firmen (nicht nur in der Spieleindustrie) gesehen und ich habe mich selten so sehr auf den nächsten Tag im Büro gefreut, wie jetzt gerade an meinem neuen Arbeitsplatz.

Das letzte Update dieses Artikels war am 18.9.2024