Brettspiele

Sieht man mal von der Delle durch Corona ab, habe ich in den letzten Jahren deutlich mehr Zeit mit Brettspielen als mit neuen Computerspielen verbracht. Ich mag Spiele, die keine "Materialschlachten" mit wahnsinnig komplexen Regeln sind, sondern sich auf einige wesentliche Elemente beschränken. Munchkin mag ich nur, weil es eine Parodie auf Spiele ist, und ich wundere mich jedesmal, wenn Menschen versuchen es ernsthaft zu spielen. Bewunderung empfinde ich für jene, die eine Vier-Stunden-Partie Terraforming Mars durchstehen - aber warm werde ich mit sowas nicht.

Dorfromantik steht an oberster Stelle, weil es das neueste Spiel in dieser Liste ist. Es ist gleichzeitig mein neues Paradebeispiel für "So knapp an der Perfektion vorbei". Wir haben hier ein sehr durchdachtes Singleplayer-Spiel. Natürlich kann man es, wie jedes andere Singleplayer auch, mit mehreren Leuten spielen, aber das ändert überhaupt nichts am Ablauf, es gibt auch keine verteilten Rollen. Es trotzdem "kooperativ" zu nennen ist ein kleiner Ettikettenschwindel. Die Idee des "Freischaltens" von neuen Fähigkeiten wurde an sich sehr schön umgesetzt; insbesondere die Geschwindigkeit, mit der man nach und nach alles freispielt, ist sehr gut: an zwei Nachmittagen hat man eigentlich alle Elemente erreicht. Ob man danach nochmal die Kampagne spielen mag? Ich zweifle. Aber das dann komplette Spiel sehr gerne auf der Jagd nach neuen Highscores. Leider schlampt der Verlag in der Anleitung (da alle Extras NICHT dort, sondern teilweise unzureichend auf den Karten erklärt werden, insbesondere bei der Punktwertung) und in der Art, wie Extras ins Spiel kommen. Bevor man sich in den fünf Schachteln tot sucht (besondere Überraschungen sind eh nicht drinnen), am besten einfach alles gleich auspacken und auf einen Stapel "noch nicht freigespielt" legen, das macht den Ablauf wirklich einfacher. Den "Spiel des Jahres 2023" Titel führe ich eher auf Schwächen bei den anderen Teilnehmern zurück, für ein Solo-Legespiel ist das wirklich sehr großzügig. Aber: Dorfromantik macht Spaß!

Qwirkle ist seit bald zehn Jahren eines meiner absoluten Lieblingsspiele, insbesondere als Duell, also mit zwei Spielern. Die Regeln sind klar, es ist Glück im Spiel (aber weniger als man glaubt) und es ist lesbar und übersichtlich - man kann gerade im Endspiel ziemlich genau planen, was noch "geht" und manchmal die Partie noch drehen. Die Bezeichnung "unverwüstlich" kriegt Qwirkle nur deswegen nicht, weil die Farbe von den Holzsteinen abschabt. Da muß irgendwann mal eine Luxusausgabe her.

Framework von Uwe Rosenberg (Spielwiese/Pegasus), im Frühjahr 2022 erschienen, wird sträflich unterschätzt, weil Rosenberg ein einmal entwickeltes Spiel in kurzer Zeit mehrfach hintereinander veröffentlicht. Während bei Azul (siehe unten) jede Version größer und komplexer wird, macht Rosenberg das Gegenteil: Er vereinfacht und iteriert, bis die wichtigsten funktionablen Kerne übrig bleiben. Framework ist lesbarer, klarer und meiner Ansicht nach spielbarer als Nova Luna (und als Sagani sowieso) - nur weil so viele Menschen schon ein Nova Luna haben, bekommt es "keinen Respekt". Mein Spieletipp für 2022/23.

Spring Meadow von Uwe Rosenberg ist die beste Umsetzung des Tetris-Spielprinzips in die analoge Welt (und ich habe viele an Tetris angelehnte Brettspiele gespielt!). Auch hier gilt das Iterations-Prinzip, denn es ist das dritte und beste Spiel einer Reihe (Cottage Garden, Indian Summer) - und zur Zeit vergriffen.

Die Känguru Eskapaden aus der Reihe Exit Games. Lustig, Logisch, Knifflig und ein so großartiger "Das haben die nicht wirklich gemacht?" Moment. Von den vielen guten Exit-Spielen der Brandts mein privater Liebling. Überhaupt ist die Kreativität dieser Reihe (was ist dieses Mal mit dem Coderad los?) nur durch kleine dumme Fehler wie zum Beispiel manchmal unlesbar klein gedruckte Grafiken eingeschränkt.

El Dorado (Ravensburger/Knizia) - Wenn man jemanden, der keine Deckbau-Spiele kennt, mal ein Deckbau-Spiel unterjubeln will. Durch die Kombination mit einem normalen Spielfeld (das man in unendlich vielen Varianten auslegen kann) erschließt sich der Sinn des Decks viel schneller. Wenige geschickt ausbalancierte Karten, nach einer Testpartie haben alle am Tisch kapiert worum es geht. Und da es mehrere ähnliche mächtige Strategien gibt, bleibt es spannend und abwechslungsreich.

Zug um Zug (diverse Versionen) - dieses Spiel funktioniert einfach wirklich richtig gut. Für zwei Spieler empfehle ich das (schwer zu kriegende) Skandinavien/Nordic Countries. Wenn man viel Zeit, schon Zug um Zug Kenntnisse und einen SEHR großen Tisch hat, Weltreise. Der Alexa-Skill für Zug um Zug Europa ist übrigens auch sehr empfehlenswert und kann einen fehlenden Mitspieler ersetzen.

Small World (mit Erweiterungen) - das beste Stein/Schere/Papier Strategiespiel mit vielen Kombinationsmöglichkeiten. Nicht immer fair ausbalanciert, dafür auch zu zweit gut spielbar (vier ist die Optimalgröße). Inzwischen bin ich sogar auf Small World of Warcraft umgestiegen. Das vereint die besten Elemente aus dem regulären Small World und den wichtigen Erweiterungen, ist aber autark. Es kann aber nicht mit den anderen kombiniert werden! Dafür hat man dann in einer Schachtel ein wirklich ausgefeiltes Spiel.

Codenames - ab einem Dutzend Leute im Raum eigentlich ein Pflichtspiel. Aber Just One fängt gerade an, Codenames den Rang abzulaufen, da es weniger Leerlauf hat.

Die Crew - das habe ich über ein Jahr lang so sträflich unterschätzt wie damals die Nintendo Wii. Es ist ein geniales Spiel für lange Nachmittage, in denen immer wieder mal Leute die Runde verlassen oder wieder reinkommen. Es ist schnell erklärt und spielt so wunderbar auf der Meta-Ebene. Es ist kooperativ. Es ist preiswert. Gehört also vorbehaltlos in jeden Brettspielehaushalt. (Ich bevorzuge die Tiefsee-Variante, aber beide Versionen sind absolut empfehlenswert).

Azul - dank einer wirklich simplen aber neuen Mechanik des Steineziehens ist das erste Azul gerade für Gruppen von drei bis vier Spielern sehr schön, aber auch zu zweit wunderbar spielbar. Und auch die Spielsteine sind einfach großartig - aber das Punktebrett verträgt absolut keine Rüttler oder "An-den-Tisch-Stosser".  Auch Azul #2, Buntglasfenster, funktioniert noch gut, hat aber mit dem Umdrehen der Vorlagen einen nicht intuitiven Stolperstein eingebaut. #3, Sommerpavillion, dreht noch weiter auf und ist mir dadurch unnötig verkompliziert - und da hat dann Cascadia Azul den Rang abgelaufen.

Digitale Brettspiele

Carcassone - inzwischen zum vierten Mal als digitales Brettspiel erschienen wegen wirklich der verworrensten Lizenzgemengelage ever. Ich mag die alte Ipad-Version am liebsten, aber die jetzt aktuelle Version von Asmodee Digital funktioniert auch gut. Eines der wenigen Brettspiele, das ich lieber digital spiele, weil sich die Karten nicht verkanten, der Platz immer reicht und das Punkte zählen nicht schief geht (Wiesen!).

Das letzte Update dieses Artikels war am 15.1.2024