Die PC Life Tour (2011/2012)
Die Aktion, mit der ich bei Microsoft am meisten Lorbeeren ernten konnte - am Ende gab es den "Platinum Award", den im Jahr in Deutschland nur eine Handvoll Mitarbeiter bekommen und selten jemand aus dem Marketing - war die sogenannte PC Life Tour.
Am Ende des Lebenszyklus von Windows 7 hatten die PC Neuverkäufe in Deutschland gelahmt. Die PCs waren an einem Punkt angekommen wo die meisten installierten Geräte, abseits von immer schnelleren Gaming-Maschinen, für die üblichen Tätigkeiten (im wesentlichen Surfen und Mail) schnell genug waren. Kein Grund für einen Neukauf. PC Hersteller arbeiteten daher an diversen Windows-Computern mit Zusatzfunktionen: Multimedia mit TV Tuner und Blu-Ray, 3D Darstellung mit und ohne Brille, Touchscreens, die ersten Ultrabooks.
Microsoft hatte weltweit große Marketingbudgets bereitgestellt, um diese neuen PCs gemeinsam mit dem Handel zu bewerben. Das Problem, insbesondere in Deutschland, war natürlich der Handel selbst. Wenn man Media Markt und Saturn Marketinggelder gab, wurden die in Prospekten für Preiskriege verheizt. Die Produktpräsentation bei diesen Händlern war im wesentlichen ein auf einem Pappkarton ausgestellter PC mit einer MHz und GByte Angabe und, als optisch größtem Element, dem Preis. Auf dem PC lief ein Bildschirmschoner. Und damit konnte man wirklich keinen Menschen überzeugen, sich doch mal einen neuen PC zu kaufen.
Dank wohlwollender Chefs konnte ich mit der Marketingagentur permedia einen interessanten "Cross-Marketing" Ansatz verwirklichen. Das Marketinggeld war für einen Einsatz im "Handel" vorbestimmt, aber das legten wir großzügig aus und gingen in die Einkaufszentren, in denen auch immer ein Elektronikgroßhändler eine Filliale hatte, aber nie in oder vor diese Filliale sondern auf eine Freifläche in der Mitte. Dort bauten wir einen langen Tisch auf, der in seiner dicken Tischplatte die komplette Infrastruktur für Strom (und theoretisch sogar Netzwerk) unsichtbar liegen hatte - irgendwo im Fußboden brauchten wir eine einzige Starkstromdose, um den ganzen Tisch zu betreiben. Die Logos von Microsoft und Windows waren da, aber entgegen jeder Marketingregel nicht auf Augenhöhe, sondern in den "Tischbeinen" und in Bannern darüber. Der Tisch selber war mit Alltagsgegenständen und Schokolade dekoriert. Die Idee: Wer sich an diesen Tisch stellt, ist nicht in einer Warenpräsentation, sondern fühlt sich wie beim Ausprobieren des PCs bei einem Bekannten. Auf den PCs laufen moderne Anwendungen und Promotoren können alles erklären - und Gutscheine für Rabatte für diejenigen ausgeben, die jetzt über einen neuen PC nachdenken.
Parallel dazu haben wir in den jeweiligen Städten abends eine PR-Veranstaltung gemacht und im wesentlichen die Lokalpresse eingeladen. Ich selber und andere Microsoft-Mitarbeiter waren persönlich vor Ort und insgesamt konnten wir so an die 200 Journalisten treffen, die sonst nie auf Computermessen oder ähnlichen Veranstaltungen waren.
Kurzum: Wir stellten die Themen Handelspromotion und Pressearbeit auf den Kopf und nutzten das Geld, um mal andere als die "üblichen Verdächtigen" zu erreichen.
Das Konzept hat wunderbar funktioniert. Die Promotoren waren entspannt und glücklich und konnten vielen Menschen auch bei (für uns) einfachen PC-Problemen helfen. Das ganze Setup hatte nichts verpflichtendes. Die Order war, wenn jemand fragte ob sie oder er die Tasse da mitnehmen könnte, diese einfach formlos mitzugeben.
Den Erfolg der Aktion maßen wir pi mal Daumen aber dennoch empirisch: Wir befragten Leute, bevor sie in das Einkaufszentrum hineingingen, ob sie sich einen neuen PC kaufen wollen. Und wir fragten Leute, die aus dem Einkaufszentrum hinausgingen, ob sie das vorhaben. Und siehe da, wir konnten bis zu 20% positiven Unterschied messen - was ungewöhnlich ist, denn wer aus einem Einkaufszentrum heraus kommt, hat ja in der Regel schon gekauft und denkt nicht über den nächsten Einkauf nach.
Die Aktion lief insgesamt über ein halbes Jahr in zwanzig Städten und war sehr erfolgreich. Nur die Handelsketten moserten, daß sie nicht das von uns ausgegebene Geld als Marketingunterstützung für ihre Preiskriegprospekte erhalten hatten. Für den Erfolg erhielt ich einen internen Award. Und gleichzeitig die Order, so was nie wieder zu machen. Microsoft wollte es sich weltweit mit den Handelsketten nicht verscherzen. Nächstes Jahr sollten die Marketinggelder wieder an Media Markt und Saturn gehen. Und auch heute noch sehen sie da, wenn sie mal die teuer von Apple oder Samsung bezahlten Flächen abziehen, fast die gleiche miserable Präsentation neuer PCs wie vor zehn Jahren. Immerhin läuft allerdings oft als Bildschirmschoner eine Software von Microsoft, die ein wenig mehr über das Gerät sagt als MHz und GByte.